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Mythos: Hexenprozesse

Jessica • 29. August 2019
Wenn man an das Mittelalter denkt, kommen auch zwangsläufig Bilder von Aberglauben, Zaubertränken und brennenden Scheiterhaufen auf.
Doch Tatsache ist, dass von ca. 1430-1780 – übrigens die Epoche der frühen Neuzeit und nicht des Mittelalters - in den heutigen Grenzen Europas ungefähr 40.000 bis 60.000 Todesopfer wegen Hexerei gab. Viele Opfer starben dabei Foltertode oder begangen Suizid. Doch woher kommt der Mythos, dass in ganz Europa die Frauen vor der Hexenverfolgung nicht mehr sicher waren und überall Scheiterhaufen brannten?

Die Anfänge

Schon die Kelten, Germanen und Slawen waren der Überzeugung, dass es Zauberkraft gibt – sowohl gute als auch schlechte. Für die unaufgeklärten Welt hatten magische Praktiken wie Zaubertränke, Los werfen oder Weissagen eine stabilisierende Sinn- und Schutzfunktion
Hexenszene (um 1700)
Als sich das Christentum nach Europa ausdehnte, blieben die heidnischen Riten und Mythen weiterhin bei der Bevölkerung in Gebrauch. Zu Beginn hatte die junge Kirche mit Ketzern und Glaubenskritikern mehr als genug zu tun und so existierte der christliche Glaube zusammen mit heidnischen Kulturen. Um die Kritiker zu bekämpfen wurden Inquisitoren (Ketzenjäger) installiert und immer ausgefallenere Foltermethoden erdacht. Als um 1400 im deutsch-schweizerischen Grenzraum fast keine Ketzer mehr lebten, überlegte die Kirche, welche anderen Gefahren hinsichtlich der Reinheit der christlichen Lehre existierten. Sie fanden den Zauber- und Aberglauben und somit einen neuen Feind, den es zu bekämpfen galt. Nach und nach rückten vor allem Frauen in die Aufmerksamkeit der Kirche, die sich als Hebamme oder Heilerin den Lebensunterhalten verdienten und somit mit den Wirkungen von Kräutern vertraut waren. Aber auch reiche Witwen oder Zugereiste waren vor der Bezichtigung der Hexerei nicht mehr sicher, denn hier spielte Neid und Missgunst bzw. Misstrauen eine große Rolle.

Der Höhepunkt

Fatal für den Hexenglauben war zum einen der um 1450 aufkommende Buchdruck, durch den sowohl Informationen auf Flugblättern als auch die zwei Bücher 'Hexenbulle' von Papst Innozenz VIII. und 'Hexenhammer' vom Dominikaner Heinrich Kramer schneller verbreitet werden konnten. In Kombination mit der gastierenden Pest (ab 1350), Wetterkatastrophen, Krieg und der ständig mitschwingenden apokalyptischen Angst vor dem Weltende verbreitete sich die Hexenverfolgung schnell und nahm eine ungeahnte Eigendynamik an.
Die anfänglichen Hexenprozesse unterlagen den kirchlichen Gerichten. Diese mussten die Reue erlauben und durften keine Todesurteile vollstrecken. Daher forderte Heinrich Kramer in seinem Buch 'Hexenhammer', dass die Hexenprozesse von weltlichen Gerichten durchgeführt werden müssen, um die Hexen ausrotten zu können. Die ersten weltlichen Gerichte, die Hexenprozesse durchführten, bestanden aus ca. sieben Laienrichtern. Doch ab ca. 1560 strebten immer mehr junge Männer in die Universitäten, studierten Jura und übernahmen in dem Gerichten den Vorsitz. Da Hexen ihre Prozesskosten selbst tragen mussten und sich manch ein Richter zudem auch am Eigentum der Angeklagten bereicherte, konnten Juristen ihr Einkommen aufbessern.

Das Ende

Mit der Zeit der Aufklärung, dem gesetzlichen Verbot der Folter, neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und der aufkommenden Kritik aus der Bevölkerung endete die Zeit der Hexenverfolgung. Die letzten Prozesse mit Hinrichtungen geschahen 1608 in Holland, 1649 in Schweden, 1714 in Preußen, 1682 in Frankreich und 1782 in der Schweiz.
Gedenkstein für eine Hexenverbrennung 1563 in Eckartsberga

Das Erbe

Weder Kirche noch Juristen wurden für die Gräueltaten während der Hexenverfolgung in die Verantwortung genommen. Gerichtsurteile können heute nicht mehr revidiert werden. Doch gelten die verurteilten Opfer heute im Sinne der Anklage als unschuldig. Die Leiden der verfolgten Frauen und Männer und die Verschmähungen ihrer Familienangehörigen werden dadurch jedoch nicht gelindert. Doch durch Arbeitskreise wie der 2000 vom evangelischen Pfarrer Hartmut Hegeler gegründete „Arbeitskreis Hexenverfolgung“ hilft bei der moralisch-ethischen Rehabilitierung der Hexenopfer.
Und die Zeit der Hexenverfolgung sollte uns alle als mahnende Stimme dienen, wenn heute durch Mobbing, Neid, Missgunst, religiösem Fanatismus oder auf der Suche nach einem Sündenbock Menschen unschuldig leiden müssen.
Quelle: Computergenealogie 01/2017, historicum.net
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