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Entnazifizierung – Ein schwieriger Prozess

Jessica • 7. April 2022
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war den alliierten Siegermächten klar, die gesamte deutsche Gesellschaft muss von den bisherigen nationalsozialistischen Einflüssen und Prägungen gesäubert werden. Dieser Abschnitt der deutschen Geschichte war ein schwieriges Unterfangen, doch die angelegten Akten sind eine gute Quelle in der Ahnenforschung.

Entscheidung auf der Potsdamer Konferenz

Zwischen dem 17. Juli und dem 2. August 1945 wurde im Potsdamer Schloss Cecilienhof durch die drei Staatschefs der alliierten Siegermächte Sowjetunion, USA und Großbritannien über die Neuordnung Europas und das künftige Schicksal Deutschland beraten. Stalin, Truman und Churchill (bzw. ab Ende Juli Attlee) beschlossen die Demokratisierung, Entmilitarisierung, Entnazifizierung, Dekartellisierung und Dezentralisierung Deutschland. Frankreich trat den Potsdamer Beschlüssen am 7. August 1945 unter Vorbehalt bei. Auch Reparationsleistungen, die Festsetzung der deutschen Ostgrenze sowie der Umgang mit der deutschen Bevölkerung in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn wurden thematisiert.

Was bedeuteten diese Beschlüsse für Deutschland? Zum einen wurde die Oder-Neiße-Linie als deutsche Ostgrenze festgelegt und die ordnungsgemäße und humane Überführung der deutschen Bevölkerungsminderheiten in Ostmitteleuropa. Im Bereich der Entnazifizierung wurden die Alltagsspuren des Dritten Reiches wie zum Beispiel Straßenschilder, Bücher, Uniformen und Orden verbannt sowie alle Hakenkreuze, alle Gesetze der Nationalsozialisten aufgehoben und die NSDAP sowie ihre Unterorganisationen verboten. Doch ein viel größeres Problem stellte der Umgang mit den rund 8,5 Millionen NSDAP-Parteigenossen und die vielen Millionen weiteren Angehöriger von NS-Organisationen dar.

Entnazifizierung

Ein Kernpunkt der Entnazifizierung war die deutsche Gesellschaft politisch zu säubern. Darüber hinaus galt es, alle Personen aus wichtigen Positionen in der Gesellschaft und dem zukünftigen Staat auszuschließen, die sich zuvor für das NS-Regime engagiert hatten.

Zunächst wurden aktive Mitglieder der NSDAP und der NS-Unterorganisationen vor allem aus den Polizei- und SS-Einheiten sowie der Verwaltung entlassen und in „automatischen Arrest“ genommen. Damit wurden zwischen 1945 und 1950 rund 400.000 Deutsche präventiv inhaftiert. Eine Einzelfallprüfung gab es nicht. Die Sowjetunion ging noch einen Schritt weiter: In ihrem Bestreben, die sowjetische Zone im sozialistischen Sinne umzuformen, wurden auch Personen in sogenannte Speziallager inhaftiert, die als politische Gegner angesehen wurden.

Da die alliierten Besatzungsmächte sich auf kein gemeinsames Vorgehen einigen konnten, war die Handhabung der Entnazifizierung sehr unterschiedlich. Erst nach langer Diskussion wurde vom Alliierten Kontrollrat im Januar 1946 die Direktive Nr. 24 erlassen, die für eine deutschlandweite Angleichung des Vorgehens sorgen sollte.

Trotzdem prüften je nach Besatzungszone unterschiedlich zusammengesetzte Kommissionen, Ausschüsse und sogenannte Spruchkammern jeden Fall individuell. Wer einen Antrag auf Entnazifizierung stellte, der musste einen umfangreichen Fragebogen ausfüllen und wahrheitsgetreue Informationen zum politischen Lebenslauf und der Mitgliedschaft in der NSDAP und weiteren NS-Organisation geben. Viele Befragte legten entlastende eidesstattliche Erklärungen ab und da belastende Dokumente oft nicht vorzulegen waren, trugen Bezeugungen von Freunden oder Nachbarn oft dazu bei, dass die meisten Befragten der Kategorie 4, also als „Mitläufer“ eingestuft wurden. Nur rund 1,4 Prozent der Befragten galten als „Hauptschuldiger“ oder „Belastet“.

Quelle für die Ahnenforschung

In den heutigen Landes- oder Staatsarchiven der ehemaligen britischen Besatzungszone sowie im Bundesarchiv in Koblenz finden sich auch heute vieler dieser Akten, die für den Entnazifizierung angelegt wurden. Sofern man auf der Suche nach der NS-Vergangenheit eines Verwandten ist, können diese Akten hilfreich sein – die Angaben in den Akten sind jedoch mit Vorsicht zu betrachten: Um als „Mitläufer“ eingestuft zu werden, gaben nicht alle Befragten immer ehrliche Antworten an!

Sofern nicht bekannt ist, ob die Verwandten Mitglieder in der NSDAP waren, kann anhand der Mitgliederkartei der Partei ermittelt werden. Diese werden im Bundesarchiv in Berlin verwahrt und neben den rund 12,7 Millionen Karteikarten finden sich auch Personalunterlagen von Sturmabteilung (SA) und Schutzstaffel (SS), des Rasse- und Siedlungshauptamtes sowie der Reichskulturkammer.

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