Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren rund 14 Millionen Deutsche auf der Flucht aus den nun ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reiches: Ostpreußen, Pommern, Schlesien, Teile Brandenburgs sowie Böhmen und Wolhynien gehörten nun zu Russland, Polen, der damaligen Tschechoslowakei oder der Ukraine.
Schon im Winter 1944 begann die Flüchtlingswelle, als die Rote Armee erstmals ostpreußischen Boden betrat und langsam Richtung Westen vordrängt. Die deutsche Bevölkerung in diesen Gebieten flieht von den Kriegshandlungen und Gräueltaten. Einige zögerten noch. Doch sobald die Soldaten in eine Stadt, Ort oder Dorf kamen, hatten die Menschen nicht viel Zeit, um ihre Habseligkeiten zusammenzupacken und die geliebte Heimat zu verlassen. Wer einen Wagen besaß, war gut dran. Die meisten jedoch liefen zu Fuß. Dabei trugen sie unzureichende Kleidung insbesondere Schuhe, hatten kaum Nahrungsmittel dafür aber unhandliche, schwere Koffer dabei. Daher konnten viele nur einige wenige Kilometer am Tag zurücklegen.
Parallel zur Fluchtwelle begann eine systematische Vertreibung: Die ehemals deutsch-besetzten Gebiete in Polen, Sudetenland, in der Wolga-Region sowie in Ungarn, Rumänien, Kroatien, Serbien und auf dem Baltikum wurden nun zurückerobert und die deutsche Bevölkerung vertrieben. Der Hass auf die Gewaltverbrechen der Nazis wird nun an der deutschen Bevölkerung ausgelebt. Mit dem Potsdamer Abkommen im August 1945 wird von den Siegermächten zwar die Vertreibungsaktionen bekräftigt, doch sie sollen in einem „ordnungsgemäßen und humanen Transfer“ stattfinden.
Auf der anderen Seite muss das schwer getroffenen Nachkriegs-Deutschland mit den Flüchtlingsschaaren umgehen. Viele im Heimatland Deutschland Überlebende haben selbst durch Bombenangriffe und Kriegshandlung alles verloren und kämpfen ihrerseits ums Überleben. Da werden die Flüchtlinge misstrauisch und nicht selten feindselig behandelt.
Das in Berlin neueröffnete Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung am Anhalter Bahnhof beleuchtet die Flucht und Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg aus genau diesen vielen Perspektiven und bringt auch die Gegenwart mit ein.
Die Vereinten Nationen haben 1950 ein eigenes Hochkommissariat zum Schutz von Flüchtlingen und Staatenlosen gegründet, das UNHCR. Laut der UNHCR waren Ende 2020 mindestens 82,4 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht – egal ob innerhalb eines Staates oder Grenzen überschreitend – und immer steckt ein persönliches Schicksal dahinter. Damit ist klar: Flucht und Vertreibung sind auch heute noch ein brandaktuelles Thema.
Quellen: Computergenealogie 3/2021 & planetwissen
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