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Die Goebbels-Aktion 1944

S. • Juli 07, 2021
Im Sommer 1944 war die militärische Lage verzweifelt. Rom war besetzt. Die Landung der Westalliierten in Frankreich war geglückt. Und durch eine gewaltige Offensive der Roten Armee war die Heeresgruppe Mitte überrannt worden - eine Niederlage weit größer und folgenreicher als die von Stalingrad. Und dann auch noch der gescheiterte Putschversuch vom 20. Juli 1944. In dieser Situation erneuerte Goebbels seinen Vorstoß hinsichtlich des totalen Krieges, unterstützt von Albert Speer. Am 25. Juli wurde er zum „Generalbevollmächtigten für den totalen Kriegseinsatz“ mit Vortragsrecht bei Hitler und umfassenden Vollmachten ernannt.

Goebbels wollte den Staatsapparat umbauen und eine Million Soldaten liefern. Bald stellte sich jedoch heraus, dass letzteres stark zu Lasten der Rüstungsindustrie gehen würde. Dies führte zu langwierigen und erbitterten Auseinandersetzungen mit Speer. Goebbels sah sich mit Hitler in der Forderung einig, es gehe um „Soldaten und Waffen“, Speer dagegen beharrte darauf, nur „Soldaten oder Waffen“ seien erreichbar. Hitler gab Goebbels zwar recht, entschied aber dennoch nicht gegen Speer. Beide Seiten fanden Verbündete: Goebbels mit Bormann und den meisten Gauleitern, Speer mit Generälen, aber ebenfalls mit einigen Gauleitern – zu Goebbels’ Verdruss. Endlich, am 1. Dezember 1944, beschlossen beide, sich nicht mehr von Hitler in diese Positionen drängen zu lassen. Hitler sollte jetzt selbst entscheiden, wie viele Soldaten und wie viele Waffen er haben wollte.

Indessen hatten beide in diesem Gegeneinander Leistungen erbracht, die sonst kaum möglich gewesen wären: Goebbels konnte zwischen Juli und Oktober 1944 fast 700.000 Wehrpflichtige einziehen lassen. Gleichzeitig erreichte der Beschäftigtenstand in der Rüstungsindustrie im Oktober mit über 6,2 Millionen einen Höchststand, bevor er dann wieder absank.

Totaler Kriegseinsatz

Im August 1944 hatte Hitler Goebbels als Reichsbevollmächtigten für den totalen Krieg aufgefordert, eine Million Männer über Parteikanäle zu beschaffen. Sie sollten zur Schaffung neuer Abteilungen verwendet und ohne Rücksicht auf den vorherigen Status einberufen werden. Zum Jahresende hatte Goebbels 300.000 neue Rekruten und rund 200.000 dienststellenübergreifende Versetzungen gewonnen. Im Oktober hatte Hitler den Volkssturm unter Parteiführung aktiviert, der sich aus Männern im Alter von 16 bis 60 Jahren zusammensetzte, die ansonsten vom Wehrdienst befreit waren. Die Mitglieder sollten - falls verfügbar - Armeeuniformen tragen, ansonsten Parteiuniform oder Zivil.

Er hatte auch die Programme "Gneisenau" und "Blücher" genehmigt, bei denen rund 200.000 Männer in territorialen Abteilungen in den östlichen Militärbezirken organisiert werden sollten. Im November hatte er zum ersten Mal zugestimmt, russischen Kollaborationstruppen zu erlauben, an der Front im Osten zu kämpfen und tatsächlich die lang diskutierte russische Befreiungsarmee mit Wlassow als kommandierendem General zu bilden.

In dem Versuch, die Kampfkraft der Armee aufrechtzuerhalten, war Hitler nicht auf organisatorisches und arithmetisches Fingerspitzengefühl bedacht. Er autorisierte Artilleriekorps mit Brigadestärken, Panzerbrigaden von zwei Bataillonen und Panzer-Jäger-Brigaden mit einem Bataillon.

In den Monaten August bis Dezember lag die Zahl der einberufenen Männer (1.569.000) leicht über dem Rückgang der Feldstärke im selben Zeitraum. Bei näherer Betrachtung ergab sich jedoch, dass 956.000 der Rekruten das Feld erst weit nach dem 1. Januar 1945 erreichen würden.

Quellen: ibiblio und Buch: Karl-Günter Zelle - Hitlers zweifelnde Elite: Goebbels – Göring – Himmler – Speer. Schöningh, Paderborn 2010, S. 325–328

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