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Kleindeutschland – Deutsche Heimatgefühle in der neuen Welt

Jessica • 18. September 2022
Das New Yorker Stadtviertel Kleindeutschland, auch Little Germany oder Dutchtown im Stadtteil New York gab den deutschen Auswanderern ein Gefühl der Heimat: Die Läden wurden von Deutschen geführt, mit deutschen Waren und man musste kein Englisch lernen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.  Kleindeutschland unterschied sich sehr von den restlichen Teilen New Yorks. Doch mit dem Ersten Weltkrieg war auch die Zeit von Kleindeutschland zu ende.

Die Entstehung

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts kamen die ersten deutschen Auswanderer nach ihrer Überfahrt in New York an – viele blieben in der Stadt und gliedert sich schnell ein. Im 19. Jahrhundert setzte eine neue Einwanderungswelle ein und die Menschen kamen massenhaft ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Die meisten suchten nach besseren Lebensbedingungen und nach der gescheiterten Revolution von 1848 kamen auch mehr politische Flüchtlinge an. Die deutschen Einwanderer siedelten sich vorrangig in den engen Häuserblöcken der Lower East Side, in der südöstlichsten Ecke von Manhattan an.

Lage von Kleindeutschland in Manhatten

Das Leben in Kleindeutschland

Nun erfüllte das deutsche Stimmengewirr die Straßen und deutsche Straßenschilder wiesen den Weg. Geschäfte und Restaurants wurden von Deutschen, mit deutschem Angebot und auf Deutsch geführt. Zimmerleute, Schreiner, Maurer und Tagelöhner fanden gute Arbeit, junge Frauen gingen bei New Yorkern in Anstellung. Es gab das Germania Theater, deutsche Gesangsvereine und Turnvereine, aber auch ein Schützenverein. Wie auch in Deutschland, pflegten die deutschen Auswanderer in New York ihre Vereinstradition und darüber die deutsche Kultur und Tradition.

Schon früh wurde die „German Society of the City of New York“ gegründet, die den deutschen Auswanderern bei der Ankunft in Amerika half. Die Mitglieder begrüßten die Neuankömmlinge nicht nur am Schiff, sondern sie bewahrten sie vor Gepäckdiebstahl und Betrügern, halfen bei der Suche nach Unterkunft und Arbeit. Außerdem bot die Gesellschaft eine kostenlose medizinische Grundversorgung an und veröffentlichte Informationsbücher. Es gab auch deutsche Zeitungen wie die Handels-Zeitung und die Allgemeine Zeitung. In seiner Blütezeit um 1880 lebten rund 150.000 Menschen in Kleindeutschland, sodass New York nach Berlin und Wien die Stadt mit der drittgrößten deutschen Bevölkerung war.

Das Ende

Als die Industrialisierung in New York am Ende des 19. Jahrhunderts einsetzte, gaben immer mehr Handwerker ihre Werkstätten in Kleindeutschland auf, arbeiteten stattdessen in den Fabriken und nicht wenige verließen Kleindeutschland, um näher an ihrem Arbeitsort zu wohnen. Langsam verschwanden immer mehr Läden aus dem Viertel. Die nun mittlerweile 3. Generation der deutschen Auswanderer sprach mittlerweile fließend Englisch und entwickelte ein immer stärker werdendes Interesse an der amerikanischen Kultur und Lebensweise. Bis 1904 schrumpfte Kleindeutschland auf 12.000 Bewohner.

Die Weggezogenen hielten jedoch Kontakt zur deutschen Gemeinde und nahm an Gemeinschaftsaktivitäten teil. So auch am 15. Juni 1904, als die lutherische Kirchengemeinde St. Markus wie jedes Jahr den Ferienbeginn der Sonntagsschule mit einem Ausflug feierte. Mehr als 1300 Passagiere – überwiegend Frauen und Kinder – gingen an Bord des gemieteten Schaufelraddampfers „General Slocum“, um zu einem Picknick auf Long Island aufzubrechen. Kurz nach dem Ablegen entfachte ein glimmender Funke im Laderaum ein Feuer: Schlecht gewartete Rettungswesen und Panik an Board ließen immer mehr Menschen verzweifelt ins Wasser springen, obwohl nur die wenigsten schwimmen konnten. Am Ende starben 1021 Menschen bei dieser Katastrophe und Kleindeutschland wurde dauerhaft traumatisiert. Beinahe alle Bewohner des Stadtteils verloren einen Angehörigen, teilweise wurden ganze Familien ausgelöscht. Nicht wenige der Hinterbliebenen zogen aus Kleindeutschland fort oder nahmen sich vor Verzweiflung das Leben.

Als in Europa der Erste Weltkrieg ausbrach, wandte sich die öffentliche Meinung der Amerika schlagartig gegen die deutschsprachige Bevölkerung und alles, was Deutsch war. Die Deutschen in Amerika passten sich stärker der neuen Heimat an und verzichteten auf Sprache, Kultur und Traditionen, um nicht aufzufallen. Viele änderten zudem ihren Nachnamen. Als der Krieg endlich vorbei war, gab es keine politischen Gründe mehr Deutschland zu verlassen und so hatte Kleindeutschland keine Bedeutung mehr. Bald siedelten sich italienische und chinesische Einwanderer in den Häusern an und so entstand Little Italy und Chinatown. Die Spuren der einstigen deutschen Bewohner sind jedoch noch heute zu erkennen z.B. an den deutschen Inschriften an den Fassaden einiger Bauwerke.

Früheres Vereinshaus der Deutsch-Amerikanischen Schützengesellschaft mit der Inschrift „Einigkeit macht stark“

Quellen: wikipedia und Spiegel Geschichte Nr. 1/2022

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